1. Der Inhalt des Galaterbriefes

1,1-5 Briefkopf (Absender, Empfänger, Gruß): Paulus und alle bei ihm sich befindenden Brüder den Gemeinden in Galatien: Gnade und Friede!

1,6-10 Wenn jemand ein anderes Evangelium predigt, der sei verflucht!

1,11-2,10 Paulus ist mit dem von ihm verkündigten Evangelium nicht von Menschen abhängig, sondern direkt von Gott erwählter und bevollmächtigter Apostel. Seine persönliche Lebensgeschichte unterstreicht dies. Auch ist er von Petrus, Jakobus und Johannes anerkannt worden.

2,11-21 In Antiochia in Syrien hat Paulus öffentlich Petrus gegenüber deutlich gemacht, daß weder Juden noch Heiden durch das Einhalten des Gesetzes gerettet werden können, sondern alle nur durch den Glauben an Jesus Christus und seine Gnade und seine Erlösung.

3,1-5 Paulus rüttelt die Galater wach: Sie haben den Geist Gottes doch durch den Glauben gegenüber der Predigt vom gekreuzigten Christus empfangen und nicht durch die Beobachtung des Gesetzes.

3,6-9 Abraham wurde durch den Glauben gerecht und ist damit durch die Schrift aufgezeigtes Vorbild für die ebenfalls durch den Glauben gerecht gemachten und somit “in Abraham gesegneten” Heiden.

3,10-14 Das Gesetz mit seinen Werken steht im Gegensatz zum Wesen des Glau bens; der Fluch des Gesetzes trifft jeden auch nur teilweisen Übertreter. Darum mußte Christus durch seinen Tod am Holzkreuz Erlösung von dem Fluch des Gesetzes schaffen, damit der Segen Abrahams in Christus die Heiden erreichte und die Gläubigen den Geist empfingen.

3,15-24 Das Jahrhunderte später gestiftete Gesetz kann die vorher gegebene Verheißung und den Bund Gottes mit Abraham nicht aufheben. Es wurde als Pädagoge auf das Kommen Christi hin gegeben.

3,25-4,7 Mit dem Kommen Christi und dem Glauben an ihn sind die gläubigen Juden und Heiden mit Christus bekleidet worden, in Christus eins, zu Christus gehörig, damit Abrahams Kinder und Erben der Verheißung, mündig geworden, geistbegabt, nicht mehr unter dem Gesetz.

4,8-20 Wenn die Galater heidnischer Herkunft nun in das seit dem Kommen Christi heilsgeschichtlich überholte alttestamentliche Leben zurückfallen, so wäre damit die gesamte Arbeit des Paulus in ihrem Gebiet zunichte. In einem dramatischen Appell ringt Paulus um ihre Liebe und ihren Gehorsam.

4,21-31 In allegorischer Deutung macht das Gesetz selbst deutlich, daß der Gesetzesbund wie Hagar, Abrahams Sklavin, in die Sklaverei hineingebiert, der Verheißungsbund wie Sara jedoch in die Freiheit und Sohnesstellung.

5,1-15 Auf der Seite der Freiheit steht: Christus, die Sohnesstellung, Gottes Gnade, das Hoffnungsgut der Gerechtigkeit, der durch Liebe tätige Glaube und damit in der Liebesgebotserfüllung die Gesetzeserfüllung. Auf der Seite der Knechtschaft droht: mit der Beschneidung die zwangsweise Erfüllung des ganzen Gesetzes ohne Gnade und damit auch ohne Christus, ohne Kindschaft, ohne Geist und ohne Gerechtigkeit, wohl auch ohne Verfolgung um des Kreuzes willen, aber auch nur mit innerer Unruhe und gegenseitigem Auffressen.

5,16-26 Das Leben im Geist bringt zwar Freiheit vom Gesetz, aber mit der Frucht des Geistes nichts Widergesetzliches, sondern die innerste Gesetzeserfüllung aufgrund des Mit-Christus- Gekreuzigtseins und der daraus im Geisteswandel resultierenden Erledigung der Fleischeswerke. Das Leben nach dem Fleisch läßt mit den damit Hand in Hand gehenden Sünden des Reiches Gottes verlustig gehen.

6,1-10 Strauchelnde sollen mit Sanftmut und Demut wieder in Liebe aufgerichtet werden, Lehrende und alle Glaubensgenossen Gutes erfahren, bis hin zu allen Menschen, indem die Gläubigen Geist und damit Leben und nicht Fleisch und damit Verderben wählen.

6,11-18 Das Kreuz Christi scheidet die Geister und die Neue Schöpfung von der alten. Wer das Kreuz wählt, leidet Verfolgung von der Welt, aber empfängt von Gott Friede und Barmherzigkeit. Briefschluß mit Segen.

 

2. Für die Einleitungsfragen bedeutsame Aussagen des Briefes

Gal 1,1-2 Paulus und alle bei ihm sich befindenden Brüder den Gemeinden in Galatien. Liegen diese Gemeinden in Nord- oder Südgalatien? Nord- oder südgalatische Theorie?

1,6-7 “so bald" oder "so schnell”:  Die Irrlehrer (vgl. 4,17-18) sind in das Arbeitsgebiet von Paulus und seinem Team eingedrungen und haben wohl in zeitlicher Nähe zu den Gemeindegründungen eine zusätzliche Lehre gebracht, die Paulus als "anderes Evangelium" brandmarkt und unter den Fluch stellt. 

1,13-2,10 Dieser Abschnitt ist reich an biographischen Angaben: 

1,13.23 Paulus war Verfolger der Gemeinde Jesu Christi gewesen. 

1,15-17 Vom Bekehrungsort ging er nach Arabien und kam dann wiederum nach Damaskus. Also ist der Bekehrungsort wie in Apg 9 bei Damaskus. Für Arabienzeit gibt es hier keine Zeitangabe! Vgl. Apg 9,1-25.

1,18 Daraufhin nach drei Jahren kam Paulus nach Jerusalem: Er besuchte Kephas und lernte auch den Herrenbruder und Apostel (!) Jakobus kennen (siehe auch Apg 9,26-29).

1,21 Danach kam er nach Syrien und Cilicien (siehe Apg 9,30:  Tarsus in Cilicien). 

1,22-24 Er war den Gemeinden in Judäa unbekannt von Angesicht. 

2,1 Daraufhin kam er nach 14 Jahren wieder nach Jerusalem, und das mit Barnabas und Titus zusammen. Ist hier Apg 15,1ff oder 11,27-30 und 12,25 zu vergleichen?

2,2 Paulus besprach sich "mit ihnen" in bezug auf das Evangelium, d.h. besonders mit den angesehenen "Jakobus, Kephas (= Petrus) und Johannes" (Gal 2,9), damit seine Arbeit unter den Nichtisraeliten nicht kaputt gemacht würde.

2,4-5 Paulus spricht von "falschen Brüdern", die sich eingedrängt und eingemischt hatten und denen es zu widerstehen galt. Zu dieser Situation vergleiche die Forderung der Beschneidung von Heidenchristen als heilsnotwendig in Apg 15,5

2,6-10 Der für Paulus wichtige Mitarbeiter Titus wird leider in der Apg namentlich nicht erwähnt.

2,11-13 Paulus erwähnt das zweifelhafte und heuchlerische Verhalten von Kephas in Antiochia, wodurch auch Barnabas negativ mitbeeinflußt wurde. 

2,13 Die Leute, welche Schwierigkeiten verursachten, verstanden sich offensichtlich “von Jakobus” her, beriefen sich wahrscheinlich auf dessen Autorität (vgl. Apg 15,24). 

2,14-21 Paulus antwortete auf das Fehlverhalten von Petrus (und Barnabas) mit einer öffentlichen Konfrontation des Petrus vor allen, in der Paulus bekräftigte, daß Juden und Heiden nur durch den Glauben an Jesus gerechtfertigt werden und nicht durch des Gesetzes Werke. 

3,1 Hier erfahren wir von Paulus, daß er bei seiner Evangelisierung auch die Passionsgeschichte jeweils erzählte. “Unverständige Galater” ist geistlich gemeint und nicht auf die intellektuellen Fähigkeiten der Empfänger gemünzt (vgl. 1. Kor 2,14). 

4,8 Die Empfänger praktizierten früher Götzendienst. 

4,12-15 Schwachheit des Leibes: Hatte Paulus ein Augenleiden? Ist das "erste Mal" gleich "das frühere Mal", was ein 2. Mal voraussetzt?

4,17 Die Irrlehrer versuchten einen Keil zwischen Paulus und die von ihm gegründeten Gemeinden zu treiben.

5,7-12 Paulus gebrauchte scharfe Worte in bezug auf die Irrlehrer. Das Sauerteigbild erklärt, warum er ihnen gegenüber kompromißlos ist. 

5,15 Eine Frömmigkeit, die auf dem Fleisch basiert, wird immer mit "Beißen und Fressen" Hand in Hand gehen.

6,6 Dieser Vers könnte zusammen mit anderen Abschnitten in den Paulusbriefen (1. Kor 9,6ff; 1. Tim 5,17f) als Hinweis auf vollzeitige Arbeiter am Evangelium gesehen werden.

6,11 Die eigene Handschrift mit großen Buchstaben könnte mit 4,15 zusammen Hinweis auf ein Augenleiden des Apostels sein.

6,12-13 Die Irrlehrer machten die Beschneidung zur Pflicht. 

6,17 Die Malzeichen Jesu am Leib des Paulus könnten verheilte Wunden sein, vielleicht andauernde körperliche Leiden als Folgen der Steinigung von Apg 14,19.

Bei Annahme der südgalatischen Theorie gegenüber der nordgalatischen sind die Gemeinden schon in Apg 13 und 14 entstanden (Antiochien in Pisidien, Ikonion, Lystra und Derbe, siehe Apg 13,13; 14,24; 16,6; 18,23). Paulus könnte dann den Brief schon zum Zeitpunkt von Apg 15,1-3 abgefaßt haben, d.h. kurz vor dem Apostelkonzil (im Jahre 47). Abfassungsort könnte etwa z.B. Antiochien sein. Für diese frühe Abfassung spricht die Nichterwähnung des Beschlusses von Apg 15, der ja laut Apg 16,4 diesen Städten übergeben worden war. Eigentlich hätte der Beschluß den Galaterbrief überflüssig machen müssen. Dagegen spricht die Nichterwähnung des Barnabas in Gal 1,1, aber diese könnte auch in Gal 2,13 ihren Grund haben. In unserem Chronologievorschlag gehen wir von der südgalatischen Theorie aus.